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Letzte Instanz für Mumia Abu-Jamal


Viel ist geschehen in den letzten Wochen in Mumias Leben, und bestürzend wenig ist darüber irgendwo zu lesen gewesen.
Am 4. Oktober 2003 wurde Mumia Abu-Jamal in einer feierlichen Zeremonie formell zum Ehrenbürger von Paris ernannt - eine Ehre, die vor ihm zuletzt Pablo Picasso zuteil geworden war. Der Beschluss zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Mumia war schon im Dezember 2001 gefasst worden, unmittelbar bevor US-Bundesrichter Yohn das Todesurteil gegen Mumia - vorläufig - aufhob.

Bürgermeister Bertrand Delanoe überreichte nach einer anrührenden Rede Ehrenmedaille und Urkunde stellvertretend an die afroamerikanische Bürgerrechtsaktivistin Angela Davis, die eigens zu dem Festakt aus Kalifornien gekommen war, um Mumia zu vertreten.

Am 8. Oktober hat das Oberste Gericht von Pennsylvania, USA, den Berufungsantrag des Todeskandidaten abgelehnt, in dem es darum ging, die vielen neuen Zeugen und Beweise zuzulassen, die seine Unschuld belegen könnten. Sie alle seien nicht fristgerecht benannt worden. Das kam nicht überraschend. Besonders schockierend jedoch war die Ablehnung der - unbestritten fristgerecht - eingereichten Aussage der Gerichtsschreiberin Terri Maurer-Carter, die gehört hatte, wie der verurteilende Richter Sabo 1981 während des Prozesses gegen Abu-Jamal auf dem Gerichtsflur zu einem Kollegen von der Staatsanwaltschaft gesagt hatte: "Ja, und ich werde ihnen helfen, den Nigger zu grillen".

Das Gericht begründet seine Ablehnung in diesem Urteil damit, dass über die Befangenheit Sabos schon 1995 Beschwerde geführt und verhandelt worden sei, seine Unparteilichkeit sei damals festgestellt worden, und damit seien angebliche Bemerkungen wie die von der Zeugin angeführte ohne Bedeutung. Eine der erstaunlichen Besonderheiten des amerikanischen Rechts: Es war Richter Albert Sabo selbst, der 1995 über seine eigene Befangenheit im Prozess von 1982 entschied!

Die neue Situation, die durch die Ablehnung von Mumias Staatsberufung entstanden ist, ist voller Gefahren, aber auch nach langer Zeit endlich wieder voller Chancen.
Zum einen steuert der Kampf um sein Leben jetzt auf die Entscheidung zu - die kommende Instanz ist die letzte, die angerufen werden kann, und hier ist alles möglich: die sofortige Freilassung, ein neues Verfahren, lebenslange Haft oder die endgültige Bekräftigung des Todesurteils.

Zum andern ist das Urteil in einer Situation gefallen, die Mumia sehr gut vorbereitet findet. Im September hat Robert Bryan Abu-Jamals Vertretung übernommen. Der Anwalt aus San Francisco, der den Kampf gegen die Todesstrafe seit Jahrzehnten mit Leidenschaft und herausragender Sachkenntnis verficht, hat viele Mandanten und Mandantinnen erfolgreich verteidigt, verfügt über sehr große Prozesserfahrung und ein weitsichtiges Einschätzungsvermögen scheinbar aussichtsloser juristischer Lagen. Gleichzeitig ist er von seiner Persönlichkeit her in der Lage, einen großen Bogen zwischen den unterschiedlichsten Leuten und Lagern spannen zu können - und diese Fähigkeit macht Mut und Hoffnung für die nähere Zukunft, in der es die Aufgabe der geschrumpften und manchmal in kleinen und kleinsten Fraktionen streitenden Solidaritätsbewegung sein wird, sich wieder auf das gemeinsame Ziel zu besinnen: Mumia Abu-Jamal nach mittlerweile fast 22 Jahren aus dem Todestrakt zu befreien, die Todesstrafe abzuschaffen und auch die anderen politischen Gefangenen in den USA wie Herman Bell, Jalil Abdul Muntaquin, Leonard Peltier aus dem Knast zu holen.

Annette Schiffmann
Bundesweites Netzwerk für Mumia Abu-Jamal